Jardin du Luxembourg/ Die Geburtsstunde des Afterglow
- Mona Dean
- 4. Juni 2023
- 3 Min. Lesezeit
Auch wenn schon mehrfach angeschnitten, dann doch nie richtig ausgeführt und diesem Anliegen soll nun Rechnung getragen werden. Nicht zuletzt gibt es doch einen bestimmten Grund für die Omnipräsenz dieses einen Tages. Dieser Tag, ein Grundgefühl beschreibend, welches in allumfassender Kraft seine Wirkung tätigt.
Ich laufe die Treppenstufen aus der Tiefe hervor und lasse das Rauschen der Pariser Metro sowie die stickige Bahnluft hinter mir. Gleissendes Sonnenlicht empfängt mich, fast ist es ein wenig zu grell für meine nun schon seit 30 Stunden wachen Augen. Ich bin umgeben von Menschen, in alle Richtungen ziehen sie an der grossen Kreuzung und ich gerate einen Moment in Verunsicherung, in welche Richtung ich denn nun abzubiegen habe. Zaghaft blicke ich auf mein Google Maps, suche nach einem Orientierungspunkt, während mich ein gewisses Gefühl der Unsicherheit und Beklemmung noch nicht loslässt. Wird er denn da sein? Wie verbindlich ist die Verabredung? Werde ich ihn denn erkennen, wird er mich finden? Wieviel Verlässlichkeit liegt in ein paar Wortfetzen, die krampfhaft versucht haben, zwischen Schall, Bass und Rauch einen Dialog zu bilden?
Paris, St. Germain. Ich laufe die Rue de la Condoné runter und biege dann die nächste Strasse rechts ab, wo ich zu einem grossen stattlichen Gebäude gelange. Treffpunkt Theater gewesen, du hattest mir den Ort noch benannt, ganz in Eile. So stehe ich da vor dem Odeon und wie wir alle wissen, tauchst du plötzlich vor mir auf. Du trägst ein Hemd und eine schwarze Anzugshose, bringst ein Köfferchen mit dir mit. Du scheinst auch alles schon geplant zu haben, was mich nicht weniger erstaunt. Wir laufen gemeinsam zum Jardin du Luxembourg, dein Köfferchen schlägt immer wieder auf dem Kopfsteinpflaster auf, müde als hätte es schon viele Reisen hinter sich. Im Park dann suchen wir uns eine schattenspendende Buche, unter der wir uns letztendlich friedlich niederlassen. Wir sind umgeben von Familien mit spielenden Kindern, jungen Paare, Gruppierungen von Freunden. Ich spüre, wie sich die Erleichterung in jeder Zelle meines Körpers breit macht, merklich lässt die Spannung nach. Ich entspanne meine Gliedmassen, strecke mich aus im saftig grünen Julirasen und blicke hoch in den Himmel. Du liegst neben mir und erzählst mir, wieso du die Hoffnung noch nicht aufgegeben hast. Wieso du denkst, dass sich das hier alles lohnen wird. Ich lausche deinen Worten gebannt und merke, wie sich etwas vor meinem inneren Auge abzeichnet.
Zuversicht. Ich weiss, ich wiederhole mich. Doch Hoffnung würde nicht ausreichen, Hoffnung ist ein verzweifelter Versuch, den Anker an das schwindende Land zu werfen. Zuversicht ist standhaft, ich lasse mir das Wort auf der Zunge vergehen, einmal, zweimal, siebenmal bis ich mir das Wort zueigen gemacht habe. Z-U-V-E-R-S-I-C-H-T, die rohen Buchstaben zeichnen sich vor mein inneres Auge, ich liebkose jeden Buchstaben einzeln, um keinem das Gefühl zu geben, zurückgelassen zu werden. Denn sie alle sind gleichwertig, würde auch nur einer fehlen, so hätten wir diese Zuversicht nicht. Und daran hast du mich auch erinnert. Ich habe meinen Kopf immer noch in den Nacken gelegt und bewundere die stille Macht, die vom Wiegen der Blätter im goldenen Sonnenlicht ausgeht. Die Rückseite der Blätter verstrahlen gefiltert die gebrochnen Sonnenstrahlen und Blütenstaub wird zu Feenstaub. Im After glow ist die ganze Welt golden. Durch deine Worte wird eine gewisse Wahrheit durchbrochen. Zuversicht, jeder Buchstaben steht für sich. Mein Leben, dein Leben, ihr Leben, jede Aktion, jede Begegnung, jegliche Ambivalenz hier vereint zu einem goldenen Ring. Wir drehen unsere Bahnen auf dem goldenen Ring, bis uns ganz schwindlig und sturm wird. Unsere Hände sind verschränkt, in deinem Blick liegt das stille Versprechen, mit mir auch noch die letzte Runde zu drehen, auch dann wenn der Jardin du Luxembourg schon wieder leer sein wird. Du wirst mir jeden einzelnen Buchstaben stets in Erinnerung rufen.
Wir sind in Paris, die Pandemie ist vorbei. Heute sind alle unschuldig und dürfen einen kurzen Augenblick verschnaufen und innehalten. Ich weiss, das hier ist die Jugend, denn Jugend ist Zuversicht im Hier und Jetzt und ja Jugend, da bin ich und hier werde ich gewesen sein. Unbeschwert, Feenstaub, Peter an der Hand.
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