Kaleidoskop
- Mona Dean
- 6. Apr. 2022
- 3 Min. Lesezeit
„Die höchste Stufe des Sehens, der Beziehung ganz allgemein zu einem Objekt und zur Aussenwelt überhaupt, ist dann erreicht, wenn die Grenze zwischen Subjekt und Objekt, zwischen Betrachter und Betrachtetem, zwischen mir und der Aussenwelt bewusstseinsmäßig aufgehoben ist, wenn ich mit der Welt und ihrem geistigen Urgrund eins geworden bin. Das ist der Zustand der Liebe. Die höchste Stufe des Sehens ist Liebe. Umgekehrt kann Liebe definiert werden als die höchste Stufe des Sehens.“ (Albert Hofmann)
Morgenzeit, erwachend, zwischen zwei Welten, zwei Zuständen, zwei Decken, tausend Emotionen. Time after time.
Jedes Lied öffnet ein anderes Tor und deshalb muss ich auch ganz behutsam damit umgehen, sorgfältig auswählen. Ich spüre die Fetzen, die mich ausmachen. Ideen, Wünsche, Ängste, Pläne, Hoffnungen bilden mein Kaleidoskop, durch welches ich die Welt wahrnehme. Und ich schüttle und schüttle und schüttle so lange bis es mir passt.

Wir sitzen auf dem Balkon, vor uns erstreckt sich die Szenerie - Bilderbuchtag. Die Bergspitzen liegen eingebettet in das milchige Blau des strahlenden Saharahimmels. Der See erstreckt sich vor uns, schlängelt sich entlang der Täler und verliert sich in der letzten Bergenge, ohne uns zu offenbaren, wo er enden wird. Die Palmen wippen ihre Blätter ganz sanft im Wind als würden sie zu uns sprechen und alles was uns umgibt, ist Ruhe. Wir sitzen da, blicken in den Himmel – Kaleidoskop. Tausend Diamanten polarisieren wie Kristalle, brechen das Licht und bescheinen dich. Die Sonne brennt und es wird wieder wärmer, ich gehe und stehe und werde leichter.
«Sich eins mit der Welt zu fühlen ist höchster Lebenssinn. Leben ohne dieses Gefühl ist sinnlos. (…) Der geliebte Mensch ist das Tor, durch das die vom ich bisher ausgesperrte Welt einzufliessen beginnt.» (Peter Schellenbaum (1993): Das Nein in der Liebe. S. 9f)
Das Tor wurde wieder geöffnet und ich darf mir die Fragen stellen. Spüre und sehe tausend Dinge auf einmal, sie liegen nicht im hier und nicht im damals, nicht in Basel oder wo anders, nicht in der Zukunft - sondern in der Möglichkeit. Sehen und spüren, fühlen und tasten, atmen und riechen - alles im Gesamtpaket. Stripping down layer by layer with you. Es ist die vollkommen akzeptierte Trauer darüber, dass viele Leute das Tor nie so weit werden öffnen können. Die absolute Freude und Schönheit, dass du dieses Mal an meiner Seite stehst. Das stille Versprechen, dass sich das nicht ändern wird. Tränen fliessen über unsere Gesichter und auch sie fangen die Sonnenstrahlen auf, dein Gesicht strahlt und ich sehe deine Persönlichkeit – so many levels, so many layers, caleidoscope.

Was sind Grenzen? Gab es jemals Zeit? Wer bist du und wer bin ich? Dein schwarzer Mantel behütet und eint uns, halten uns in den Armen und ein Stein fällt vom Herzen. Erleichterung der Erkenntnis.
„Alle Kristallisationen sind ein realisiertes Kaleidoskop.» (Goethe)
Kristallklar sehe ich alles vor mir, zerpflücke das Gefüge in seine Einzelteile und es ergibt, auch in seiner Singularität alles immer noch und endlich wieder einen Sinn. Es ist das altvertraute Gefühl und trotzdem weiss ich folgendes: wenn ein Tag so viel Glück, Erlebnis, Gerüche und Farben, Emotionen, Offenbarungen und Synästhesien bereithalten kann – dann bin bereit für alles was noch kommen wird (so gut es geht). Ich bin von oben bis unten erfüllt mit Zuversicht und diese Zuversicht entsteht durch dich. Durch sie alle, durch die Sonne und die Berge, die mir niemals jemand wird nehmen können. Ich schüttle das Kaleidoskop nochmals, drehe dann das Rad vorne und alles wird schwarz; es ist Zeit die Augen zu schliessen.
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