Parallelwelten
- Mona Dean
- 17. Okt. 2022
- 11 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 18. Okt. 2022
«You have as many lifes as you have possibilites. » - Matt Haig, The Midnight Library
Ich weiss nicht, ob ich das Thema erst allerorts wiedertreffe, weil ich mich in der letzten Zeit übermässig damit auseinandergesetzt habe. Oder habe ich mich in derart vielen verschiedenen Zusammenhängen damit auseinandergesetzt, weil ich so oft damit konfrontiert wurde?
Es geht hier um Möglichkeiten, um alternative Existenzen, um verschiedene Teil-Ichs, die in irgendeiner Form in irgendeiner Welt zeitgleich zu meinem Zeitgeschehen dahinexistieren. Es geht um ein ganz bestimmtes Gefühl, das vielleicht so universell wie auch individuell zugleich ist. Was ist Schicksal? Sind wir unser eigenen Glücks Schmied? Ergibt überhaupt irgendetwas Sinn oder ist es am sinnvollsten, alles in seiner Bedeutungslosigkeit anzunehmen? Es geht hier um Möglichkeiten
«Die moderne Zeit kennt keine Norm mehr, das Leben leben zu müssen, nur noch die Option, es leben zu können – oder sich ihm zu verweigern.» (Wilhelm Schmid, 2013: Dem Leben Sinn geben. S. 368f.)
Parallelleben: Distanz zu Basel durch meine zumindest physische Existenz in Hamburg.
Oktober vor einem Jahr, 30h wach am Schulterblatt auf dem Dach. Das eigenartige Gefühl, dass ich schon immer hier gewesen bin, dass ich zu etwas Wichtigem zurückgefunden habe in diesem Moment. Vielleicht eine Assoziation von vergangenen verinnerlichten Emotionen, deren Ursprung in diesem Kontext nicht die zentrale Rolle spielen. Also zurück, ich da auf dem Dach, das Geräusch der S-Bahn im Nacken und ansonsten komplette Ruhe. Es war als würde die räumliche Höhe, in der ich mich befand, das 6. Stockwerk des Wohnhauses mich zeitgleich von dem trägen Alltagstrott der Welt abschirmen. Als hätte ich das nächste Level erreicht und als wäre es mir von hier oben aus erst möglich, gewisse Dinge in ihrer Essenz auszumachen. Weil Essenz vor Existenz. Als könnte ich von dem Dach runter auf den Weg an Entscheidungseckpfeilern blicken, die mich zu dem Dach, dem 5. Himmel geleitet haben.
Gleichzeitig: Reger Austausch mit einem guten Freund in Basel. Wir stellen uns vor, was alles hätte sein können, wenn ich da gewesen wäre. Wenn wir die Zeit, die wir uns gewünscht hätten, gekriegt hätten. Wie wir an einem herbstlichen Sonntag nach einem sonnigen Nachmittagsspaziergang bei ihm Zuhause Kürbissuppe kochen, uns danach friedlich gemeinsam ins Bett kuscheln und einen Film schauen. Auch wenn es nie dazu gekommen ist, wenn unsere Zeit nicht hätte kommen sollen, weil der Baum der Entscheidungen einen anderen Ast verfolgte, fühlt es sich dennoch an, als würde eine gemeinsame Version von uns existieren. Die beiden haben sich ihre gemeinsame Routine aufgebaut, haben sich entschieden, sich ein wenig bei dem turbulenten Gang durchs Leben Beistand zu leisten. Eine Version von mir kommt nach einem langen anstrengenden Tag in der Praxis zurück, er hat schon gekocht und stellt mich mit seinem Optimismus wieder auf und gemeinsam bringen wir die Kinder ist Bett. Vielleicht werden diese beiden Versionen von ihm und mir irgendwann Kinder und eine Familie haben. Ich stehe draussen in der Novemberkälte, reibe meine Hände aneinander und blicke durch das von künstlichem Licht durchflutete Wohnzimmer, wo er und ich sich gegenseitig mit Suppe bekleckern und dazu über Rationalismus und Ethik debattieren.
Es liegt ein dünner Grad zwischen Erinnerung und Phantasie, Wünschen und Träumen.
Kurz darauf war ein verschneiter Sonntag in Hamburg, ich alleine auf dem Rückweg zu meinen Liebsten, zu meinem Zuhause. Kleine Rückversicherung, dass dieser Ast definitiv seine Windungen ohne mich weiterschwingen wird. Und schon wieder ist alles anders, aber nichts verloren.
Ich war jedes Mal mit meinen Freunden im Elysia, habe ihre Wärme und ihren Zuspruch gespürt. Mich nicht gross gefragt, was wäre wenn ich mich denn nun physisch da befände, weil das einfach keine Rolle gespielt hat. Weil ich eben nicht an Ort A war, sondern an Ort B. Man kann auf der physischen Ebene nur an einem Ort sein, auf den meisten anderen Ebenen kann man problemlos an mehreren Orten gleichzeitig sein. Dies hat uns spätestens die Pandemie gezeigt, wo wir alle überall und eigentlich niemand irgendwo war. Und jedes Mal, wenn ich zurückgekommen bin in die Goldstadt, war es nicht anders als erwartet. Weder Überraschung noch Enttäuschung, sondern es hatte sich einfach richtig angefühlt, richtig und lebendig.
So werde ich vom selben Gefühl eingenommen an Silvester, wenn ich mit all meinen Freunden um Mittnacht rumtanze und wir auf ein neues Jahr anstossen. Es spielt gar keine Rolle, dass ich die Hälfte des Jahres nicht mit ihnen verbracht habe, dass wir vielleicht in der Vergangenheit nicht immer die gleiche Lebensrealität geteilt haben.
Ich sehe nicht nur uns jetzt da, sondern habe auch eine vage Vorstellung, wie der Ast des Baumes weiterverlaufen könnte. Wie wir auf unserem Lebensweg weiter punktuell miteinanderleben, uns aufbauen und uns Wärme spenden. Wie jeder so langsam Fuss fasst in der ‘Erwachsenenwelt’ (ich mag diesen Ausdruck nicht sonderlich), wir unsere Hürden überstehen müssen aber trotzdem immer füreinander da sind und uns Liebe und Akzeptanz geben. Unsere eigenen sozialen Netzwerke ausbauen und Ressourcen stärken, unsere Existenz hier in Basel festigen und uns mit der Zeit niederlassen. Wie wir alle nach und nach Familien aufbauen und Kinder haben, und diese Kinder zusammen aufwachsen dürfen. Es geht nicht darum, dass dieses Leben nicht mehr wahr werden könnte. Und doch stehen ein paar gewaltige Entscheidungen dazwischen, die mich vielleicht schon wieder unwiederbringlich von diesem Ast weggebracht haben.
Welche Äste? Distanz zu meinen bisherigen Lebensentwürfen durch ehrliches Verliebtsein in Berlin. Berlin: weil weiter rauszoomen und trotzdem gleichzeitig am Puls des Geschehens sein, geht selten besser als in Berlin. Systemerror 0x0, ihr wisst bescheid. Das Ausmass an Möglichkeiten, welches einen an jeder Ecke erwartet, ist immens. Immer geht es auch darum, soziale Konventionen und Normen, die von einem selbst schon seit etlichen Jahren fest institutionalisiert wurden, zu hinterfragen. Und nirgends geschieht das leichter und in höherer Frequenz wie in Berlin. Die Stadt der Möglichkeiten, wie klischeehaft es auch klingen mag. Dabei geht es gar nicht darum, dass ich alle möglichen Möglichkeiten realisiere. Es reicht schon nur, dass mir Schicksale und Lebensentwürfe von allen Seiten entgegengeschmettert werden.
“We only need to be one person.
We only need to feel one existence.
We don't have to do everything in order to be everything, because we are already infinite. While we are alive we always contain a future of multifarious possibility.”
― Matt Haig, The Midnight Library
Berlin als eines der grössten Bücher meiner persönlichen Midnight Library. Berlin als Makro-, Berghain als Mikrokosmos. Denn wie bereits Airen gemeint hat, sind die Antennen nirgends mehr auf Empfang gestellt als in Berlin. Es gibt wenig Orte, an denen so viele parallele Welten in diesem Ausmass eine Koexistenz gefunden haben. So viele Realitäten, deswegen sich so manch einer verliert. Weil der Gesamtkontext dann halt doch wieder fehlt. Wo Dichotomien an die Extreme getrieben werden und so viel polarisiert wird, da fällt es einem auch nicht schwer, ganz viele Äste zu erkennen. Ja in Berlin ist trotz des schroffen Winters immer Sommer des Erlebens, Hochkonjunktur der allgegenwärtigen Transzendenzerfahrungen. Der Baum des Lebens floriert und trotzdem ist es gefährlich: weil in Berlin viele Äste, so verheissungsvoll sie einen dem Himmel näher zu bringen scheinen, eigentlich morsch in ihrer Substanz sind und viel zu schnell abbrechen. Jedes Mal, wenn ich in Berlin ankomme, kribbelt es in meinem Bauch. Mage mir nicht anzumassen, es als ein Gefühl des Nachhause-Kommens zu bezeichnen, und doch liegt dem aufregenden Zustand eine Altvertrautheit zugrunde. Sehe mich nach einem langen Unitag aus dem Vorlesungsaal treten, durch die Strasse zur S-Bahn laufen. Aufm Weg Nachhause hole ich mir noch einen Döner und ein Bier beim nächsten Späti, Zuhause sortiere ich meine Unisachen, gehe duschen. Dann lege ich mich gemütlich aufs Bett und überlege mir, ob ich denn noch die Energie aufbringe, wieder rauszugehen und Freunde zu treffen. Denn hier ist das Commitment. Das Herbstlaub sammelt sich vor meinem Fenster, manchmal fühle ich mich einsam in der weiten der Stadt, aber grösstenteils fühle ich mich frei. Ich vermisse Basel, vermisse die Lockerheit, das schöne Wetter und die Geborgenheit. Berlin, jedes Mal lebt ein Teil von mir weiter, wenn ich wieder gehe.
Distanz zu Berlin durch eine fette Realitätsklatsche, durch allesvernebelnde Anxiety. Distanz zur Hektik der Woche durch die dem Sonntag immanente Ruhe, Friedlichkeit.
Distanz zu Hamburg durch meine Rückkehr nach Basel.
Distanz zu ihm durch seine Kälte und Abweisung, durch meine Lebensrealität im alten Gefilde. Habe schon lange in meinen Gedanken und noch viel weiter, in den Tiefen meines Unterbewusstsein ein Parallel-Us geschaffen. Ganz weit hinten verstaut im letzten Winkel meiner Bibliothek. Er ist eines meiner grössten Parallelleben, weil es kurz so greifbar schien und wir den Griff nach dem richtigen Ast um Millimeter verfehlt haben. Dies ist eines der am schlechtesten mit meiner tatsächlichen Realität zu vereinbarenden Parallelgeschehen, weil es sämtliche Sinnesempfindungen umfasst. Ich spüre, rieche, sehe, fühle ihn. Das Uns. Er und ich, wenn es endlich nicht mehr 36° Grad draussen ist und wir uns auch endlich mal aneinander kuscheln können, ohne gleich vor Schweiss zu triefen. Den Rauch des Joints vom Fensterbrett zum Innenhof in die kalte Novemberluft blasen können. Zusammen früh aufstehen, uns fürs Berghain anstellen und uns gleichzeitig den Arsch abfrieren. Wie er mich in Basel besuchen kommt, wir gemeinsam in die Weinreben fahren und einen schönen Winterspaziergang machen und Sonne tanken. Wie wir darauf hinfiebern, dass ich endlich nach Berlin ziehe und wir die Möglichkeit M ö g l i c h k e i t kriegen, zumindest für einen Augenblick einen kleinen Alltag gemeinsam aufzubauen. Und ich auch mal spontan noch vorbeikommen kann oder er bei mir und wir endlich mal gemeinsam in mehr als 90cm intim werden können. Der Herbst kommt, es wird neblig und alles verblasst immer mehr.
Deja-vu?
«Ein einfaches Erklärungsmodell für Déjà vu Erlebnisse ist die Umwelttheorie. Diese besagt, dass Déjà vus durch Erinnerungen und Assoziationen ausgelöst werden. Besucht man erstmalig einen Ort, der einem bekannten Umfeld ähnelt, kann dieses Gefühl der Vertrautheit unter Umständen ein Déjà vu auslösen.» (https://www.1000-tannen.de/14-die-wahrheit-ueber-deja-vu-ursachen-kein-fehler-in-der-matrix.html, Stand: 02.10.2022)
Ich würde es nicht per se als Deja-vu bezeichnen, weil das Gefühl situationsübergreifend und weniger intuitiv ist. Es ist eben zeitübergreifend, weil man für einen kurzen Moment den gesamten Weg in einer logischen Stringenz vor Augen hat. Ohne das Gefühl der Überforderung oder Unübersichtlichkeit. Und sogar noch mehr als das, man kann auf jeden Zeitpunkt X beliebig zugreifen, es spielt eben keine Rolle mehr, zu welchem tatsächlich in Zeiteinheiten gemessenem Zeitpunkt sich dieses Ereignis ereignete. Weil man sich oft in den lebendigsten Lebensmomenten am meisten der parallelen Existenzen bewusst ist und spürt, wie dieses Wissen ein Mehrwert für die eigentliche Persönlichkeit darstellen kann.
Wie plakativ dies auch klingen mag, man muss sich überlegen, was alles dazugehört, wenn man denn lebt. Es ist nicht nur Weiter-Existieren, sondern auch Dinge erleben. Und der Schlüssel dazu, sich nicht allzu gespalten zu fühlen, ist letztendlich gute Freunde zu haben. Die Erfahrungen mitzutragen, auch wenn man physisch denn eben nicht am selben Ort ist.
Parallelwelten, Möglichkeiten. Nicht nur das Wissen darum ist erforderlich, nicht nur die Vorstellungskraft, Fantasie und bisher Erlebtes. Sondern das Gefühl ist dazu nötig. Die verschiedenen Wege, wie alles hätte sein können, sind nicht nur vorstellbar, sondern fühlbar auf verschiedensten Sinnesebenen. Es ist immer dieselbe Erkenntnis, das was sich ändert, ist die Perspektive auf diese Erkenntnis. Die Erkenntnis, dass so viel möglich wäre, anders wäre, wenn nur diese eine Sache anders verlaufen wäre.
Ich kann nicht sagen, ob das Gespür für all diese Eventualitäten das Leben einfacher machen. Ziemlich sicher nicht, aber darum geht es ja letztendlich nicht. Im letzten Jahr, habe ich mich davon verabschiedet, in «was-wäre-wenn»-Schematas zu denken. Denn sie sind komplett nutzlos, alles ist so wie es ist. Und es sind genau diese Momente der Distanz und der gleichzeitigen Sinnhaftigkeit, die uns Rückversicherung über den bisherigen Lauf der Dinge gewähren. Die uns bestätigen, dass wir bisher ein sinnhaftes Leben geführt haben und die Entscheidungen, die uns genau an diesen Ort gebracht haben, auch in irgendeiner Form die Richtigen gewesen sein mussten. Es gibt Momente der vollen Überzeugung, dies bedeutet fehlende Negierung jeglicher Bedauernisse, wenn nicht gar in vollem Bewusstsein dieser vollständige Zufriedenheit mit dem Moment zu verspüren. Den Moment als Konstrukt von in der Vergangenheit getroffenen Entscheidungen zu begreifen, diese als unerlässliche conditio-sine-qua-non für das exakt in diesem Augenblick verspürte Gefühl zu anerkennen.
“It is easy to mourn the lives we aren't living. Easy to wish we'd developed other other talents, said yes to different offers. Easy to wish we'd worked harder, loved better, handled our finances more astutely, been more popular, stayed in the band, gone to Australia, said yes to the coffee or done more bloody yoga.
It takes no effort to miss the friends we didn't make and the work we didn't do the people we didn't do and the people we didn't marry and the children we didn't have. It is not difficult to see yourself through the lens of other people, and to wish you were all the different kaleidoscopic versions of you they wanted you to be. It is easy to regret, and keep regretting, ad infinitum, until our time runs out.
But it is not lives we regret not living that are the real problem. It is the regret itself. It's the regret that makes us shrivel and wither and feel like our own and other people's worst enemy.
We can't tell if any of those other versions would of been better or worse. Those lives are happening, it is true, but you are happening as well, and that is the happening we have to focus on.”
― Matt Haig, The Midnight Library
Ich habe dieses Buch erst jetzt, erst ein Jahr später oder vielleicht sogar zwei Jahre später nachdem mich dieses Gefühl zum ersten Mal überkam, gelesen. Viele Dinge wurden mir im Zuge des Lesens von «The Midnight Library» endlich vor meinem inneren Verstand greifbar, wurden mir somit an die Oberfläche meines Bewusstseins geführt. Auch der Weg, auf dem das Buch zu mir gelangte, hat für mich besondere Bedeutung. Es wurde mir von einem Menschen geschenkt, dem ich mehr oder weniger zufällig über den Weg gelaufen bin. Der von einem anderen Ort kam, wie ich. Mit dem ich bisher keinen einzigen Lebenstag, kein einziges Erlebnis und auch noch bis anhin keinen intimen Moment geteilt hatte. Und trotzdem war dieses Gefühl da. Die leise Ahnung, dass wir in einer anderen Welt schon so viel zusammen erlebt und geteilt hatten, uns stete Weggefährtinnen gewesen waren.
Ich will nicht wieder alles unter den Deckmantel der Kontingenz, der ersichtlichen Möglichkeiten und der Überforderung durch unermessliche Freiheit und Angebot packen. Weil es geht mir um viel mehr als das, mehr als irgendwelche soziopsychologischen Theoreme. Um wieder an den Ursprung zurückzukehren, es geht um ein Gefühl. Paralleluniversen, wenn jedes bereits gelesene Buch zum Filter wird für alles Mögliche. Das Mögliche sich von jeder zeitlichen Dimension entkoppelt, weil es neben dem Tatsächlichen dahinexistiert – zu jeder Zeit. Zeitlos.
Diese letzten beiden Jahre und eigentlich auch all die Jahre davor, so sehe ich es nun, werden zu meiner eigenen Midnight Library. Und ich hoffe, das wird nicht aufhören. Und mich nicht allzu sehr zerreissen, wenn ich in einem Teil-Ich stecke, welches nicht dem entspricht, was ich mir wünsche. Sondern mir die Kraft geben, es mir gemütlich mit dem Faktum der Ungewissheit zu machen und gleichzeitig darauf zu vertrauen, dass mein Stamm der gleiche bleibt. Genug stabil ist für alles, was noch kommen möge.
«Es gibt vielleicht nicht diese eine Existenz, die die Essenz des Seins ausmacht, vielleicht sind es alle Subexistenzen zusammengenommen, die das Leben - mein Leben - das Leben eines jeden ausmachen. Ein einziger Lichtstrahl kann in einem Kaleidoskop in tausend Farben gebrochen werden, jeder neu enstehende Strahl zeigt dabei in eine andere Richtung und verläuft sich in der Unendlichkeit des Raums. Und auch wenn wir ihn nicht mehr sehen, so ist er doch immer noch da. Existiert neben all den anderen.» - E. Karadjuzovic
«Und an manchen Tagen weht unser Baum im Sturm, sortiert alle Äste neu, bricht einige ab. Dann muss man hoffen und mit ein wenig Glück bleibt der aktuelle Ast bestehen, wächst weiter und treibt gen’ Himmel. Parallelwelten schließen sich und schaffen Raum für neue Sprossen. Gegen den Sturm dieses unfassbaren elementaren Drucks des Lebens hat man keine Chance, kann sich nicht wehren.» Dave Lamb
Paralleles Leben bedeutet auch, dass ich die Erfahrung, die ich an anderen Orten sammeln darf, nicht nur für mich sammle. Nachdem ich gelernt habe, wie ich nicht von mir gelebte Momente durchaus spüren und auch bis zu einem gewissen Punkt in mein Möglichkeitsspektrum implementieren kann, weiss ich endgültig, dass persönliche Erfahrung weit über mich hinausreicht. Transzendenzerfahrung durch Freunde, denn wir Menschen mit menschlichem Bewusstsein und Differenzierungsgrad suchen nach der Erfahrung von Transzendenz. Bei all den Widersprüchen ist dies die Quintessenz. Eigenes Bedauern kann ausgelöscht werden, wenn wir unser Erleben durch die Erfahrungen unser Freunde ergänzen, vertiefen, verlängern. Alles ist möglich, nichts muss je wieder verpasst werden.
«Das Glück von Freundschaft besteht nicht in ihrem Ideal. Es stellt sich nicht ein, wenn lediglich die eigenen Bedürfnisse nach der Aufmerksamkeit anderer Menschen erfüllt werden, wenn wir sie als Projektionsfläche für unsere eigenen Gefühle und unbearbeiteten Konflikte benutzen oder schlicht glauben, dass wir unsere Freundinnen und Freunde kennen, weil sie uns so ähnlich sind. Nachhaltiges freundschaftliches Glück ist ein Nebenprodukt des Gebens, des Aufmerksamkeits-Schenkens. Es ist eine Erfahrung der Entgrenzung und entsteht nur, wenn es uns gelingt, den eigenen Horizont zu erweitern und das Gefängnis unserer Probleme und Ängste, in dem wir häufig leben, zu verlassen.» (Daniel Schreiber (2022): Allein. S. 55)
To be continued…
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