top of page

Systemerror 0x0

Aktualisiert: 9. Sept. 2021


«Plötzlich geschieht etwas. Der Schleier hebt sich. Das Zimmer verändert seine Gestalt. Schärfere Konturen, intensivere Farben. Verwundert schaut sie sich um. Das ist alles echt, sagt ihr Verstand und hält danach die Klappe. Überlasst sie ihren Betrachtungen. (…) Acht Milliarden Menschen auf einem Gesteinsbrocken, der durchs All kreist. (…) Das ist ein uraltes, sprachloses Wissen. Das Wissen vom Unterschied zwischen Etwas und Nichts.» (Juli Zeh: Übermenschen. S. 226f)

Systemerror ist Sonne. Sommersonne, die alles in seinem krassesten Schein erstrahlen lässt und die damit verbundene Sommerhitze, welche ein Gestern und Morgen in den Schatten stellt. Herbstsonne, die uns daran erinnert, wie auch wir eines Tages nicht mehr sein werden. Wintersonne, die uns blendet so grell, dass wir für einen gewissen Moment nichts mehr sehen ausser den Hauch, der bei jedem Atemzug unser Mund verlässt. Frühlingssonne, die alles spriessen lässt und uns Zuversicht gibt.

Systemerror ist Sonnenuntergang und Sonnenaufgang, wenn die Grenzen zwischen dem Etwas und dem Nichts verschwimmen. Wenn die Dämmerung die Silhouetten der Bäume mit tiefschwarz auf den blauen Nachthimmel zeichnet.

Systemerror, wenn wir am Sonntag dem Rauschen der Bäumen lauschen und Kindern glücklich neben uns kreischen. Wenn wir hungrig unser Baguette mit Roquefort verschlingen und einen Moment die Monotonie verjagen. Systemerror, wenn sich die Sonne im Glitzern des Rheins abzeichnet, ich meinen Kopf in das kühle Wasser eintauche und mich von der Strömung treiben lasse. Systemerror ist mit einer Kippe auf deiner Dachterrasse, wenn du mich mit deinem stoischen Pragmatismus zwingst, den Moment als solchen wahrzunehmen. Systemerror, wenn du neben mir schläfst und ich deinem regelmässigen Atem lausche, der den Takt der Zeit angibt. Systemerror, wenn wir als Zeitzeugen durch das Hafenbecken 3 streichen, rauer Geruch von Mörtel in der Luft und die Stille dominiert, der Ausblick reicht so weit wie noch nie. Systemerror, wenn wir uns 7am (Filzchen inklusive) zur Südseite ausrichten und die Sonne uns gleissend die Realität wegbrennt. Systemerror beim letzten Zug vom Joint auf meiner Dachterrasse, vor uns nichts als in rotes Dämmerlicht getauchtes Industriegebiet. Die Wahrheit unseres Gesprächs liegt im der Luft, um uns aber nicht zwischen uns, sondern sie eint uns - so verletzlich und so verdammt ehrlich.

Systemerror ist, wenn ich vorne links steh und der Bass mir von unten durch die Füsse bis zum Haaransatz fährt, jede Zelle meines Körpers zum strahlen bringt. Systemerror ist, wenn wir lachend verschallert in den Morgenstunden aus dem Club laufen und die Vögel zwitschern. Systemerror bei der letzten Line Keta auf meinem Balkon, die Sonne scheint schon gleissend und es wird immer kälter und leichter. Wir wissen, es ist viel zu spät, viel zu früh; es ist egal, denn die Zeit muss für einmal nicht in Einheiten rationiert werden. Systemerror, wenn wir am Festival unter dem Sternenhimmel tanzen und die Momente des gerechtfertigten kollektiven Eskapismus zelebrieren. Für immer jung, FTS.

Systemerror, wenn wir Abschied nehmen müssen. Wenn wir uns jedes Details plastisch einzuprägen versuchen, weil wir aus Angst nicht loslassen können. Systemerror, wenn dich die Spätsommersonne daran erinnert, dass schon wieder ein Sommer vergangen ist und alles was bleibt die Erinnerung und das Gefühl sind. Alles was bleibt, ihr seid.


Systemerror, wenn du unwiderruflich gehst.


Systemerror, der uns die Dialektik des Lebens lehrt. Systemerror: der Kern unserer Existenz, ein rar widerkehrenden, kaum greifbares Gefühl. In mir ein Ordner mit allen bereits erlebten Errorum. Und in jedem neuen Moment des Innehaltens spüre ich alle bereits durchlebten Momente des Wachwerdens, spüre die Welt und mein Sein auf dieser drehenden Kugel, die Zeitlosigkeit, wie immer: Jenseits von Gut und Böse. Systemerror, wenn meine Seele endlich aufatmen kann.

 
 
 

Aktuelle Beiträge

Alle ansehen
Frühlingsgefühle

Schmetterlingssterben (März 24) Lernen, Schönheit auszuhalten, ohne sie zu teilen Zumindest nicht unmittelbar, nicht direkt Nur punktuell...

 
 
 
Was bleibt

«Nichts verschwindet, bevor es uns nicht das gelehrt hat, was wir wissen müssen.» - Pema Chödrön Was wohl sein wird, wenn ich einmal...

 
 
 

Comments


Beitrag: Blog2_Post

Abo-Formular

Vielen Dank!

  • Facebook
  • Twitter
  • LinkedIn

©2021 Leben. Erstellt mit Wix.com

bottom of page