Südpol auf der Nordsee

«Jede Aktion, die die Illusion von Ordnung und Resignation zerstreut, ist ein Zauberspruch für mehr davon.» - Unbekannt

Heute stech’ ich wieder in See, Segel gehisst Richtung Süden. Werfe mich in meinen Neoprenanzug und tauche ab. Auf meinem Weg durch die Tiefe kreuze ich allerlei kuriose Geschöpfe. Regenbogenfische, Gepardfische, orangene Clownfische, Fische in rosa Tutus und Federn, Zebrafische und ganz viele Seesterne. Ich bin entzückt. Das Korallenriff pulsiert zum Beat und mittendrin liegt eine grosse, weisse Muschel. Ich schwimme direkt auf sie zu, spreche das Zauberwort und ach wie wundersam, sie öffnet sich. Offenbart mir ihren Schatz, nein, ihre Schätze. Mir eröffnet sich ein Anblick von hunderten verschiedenen Perlen, alle unterschiedlich in Grösse, Farbe, Beschaffenheit – aber alle schimmern sie perlmuttersüss.

Und da stehst du, Aktenkoffer in der einen, Jackett in der andern Hand. Und du tanzt und siehst, was die Andern nicht sehen. Denkst, du siehst nicht, was die Andern sehn. Weisst zeitgleich, dass es nichts ist, all das nichts ist, alles nur Schein ist. Aber du gibst dich schelmisch dem Schein in seiner vollsten Wonne hin – hierfür bist du geboren.

Keterella und der Zauber weicht. Er lässt nach und ich muss gehen, der Schuh passt nicht mehr. Ich muss gehen in der Zeit, fuck, die gibt es ja noch. Momo, die Uhr tickt. Und wenn ichs nicht in der Zeit schaffe, dann muss ich die Folgen ausbaden. Dann gibt es nur noch das Licht der Diskokugel und mich. Mein Spiegelbild aufgefangen auf 100 Scherben, welche dem Konzept der Kugel zugrunde liegen und den Schein von einer inexistenten Vollständigkeit erwecken. Tausend Scherben zusammengeleimt, tausend Widersprüche in mir vereint. Wenn ich den Absprung nicht schaffe, dann bin ich nur noch ein Gefühl zwischen zwei Takten; mein Schädel löst sich auf. Aber eigentlich geht auch das klar, ich lasse mich treiben, bin ein Fisch im Wasser, ein Vogel im Himmel, ein Boot in der Strömung. Ich verschmelze, ich bin frei.